Zweifel an Deutschlands Bonität

Standard & Poor´s droht damit, die deutsche Schuldennote herabzusetzen. Was bedeutet das für Verbraucher, Steuerzahler und Staat?

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Von Hannes Koch

06. Dez. 2011 –

Die überwiegende Einschätzung am Dienstag war: Dies ist ein Warnschuss. Am späten Montagabend hatte die Rating-Agentur Standard & Poor´s damit gedroht, wegen der europäischen Schuldenkrise die deutsche Bonität herabzustufen. Unsere Zeitung analysiert den Vorgang und die möglichen Folgen.


Die Rolle der Rating-Agenturen

Rating-Agenturen bewerten aus der Sicht von Investoren, wie wahrscheinlich die Schuldner ihre Kredite zurückzahlen. Den weltweiten Markt der Ratings beherrschen dabei die drei in New York und London ansässigen Bewertungsfirmen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch. S&P hat jetzt gedroht, deutsche Staatsanleihen herabzustufen, mit denen die Bundesregierung Kredite auf den internationalen Kapitalmärkten aufnimmt. In ihrer Begründung für Deutschland argumentieren die Analysten, Deutschland leide unter der Schuldenkrise in Europa. Diese beeinträchtige seine Wachstumsaussichten und damit auch die Möglichkeiten, die öffentlichen Schulden zu verringern. Ob es tatsächlich zu der Herabstufung kommt, ist aber nicht klar.


Folgen für die Verbraucher

Sollten die Rating-Agenturen die Länderbewertung Deutschlands tatsächlich senken, könnte dies mittelfristig auch Folgen für die Verbraucher auslösen. Eine mögliche Wirkung sind höhere Zinsen für Konsumenten- und Immobilienkredite. Der zugrundeliegende Mechanismus sieht so aus: Wenn Agenturen Bonitätsnoten für Banken vergeben, orientieren sie sich am Länder-Rating des Staates, in dem die Institute arbeiten. Sinkt letzteres, werden in der Regel auch die Banken herabgestuft. Dann müssen die Finanzhäuser höhere Zinsen zahlen, wenn sie sich selbst Geld leihen. Diese Kosten geben die Banken in Form steigender Kreditzinsen an ihre Kunden weiter. Eine zweite Folge betrifft Lebensversicherungen und kapitalgestützte Altersrenten. Versicherer legen ihr Kapital, das die Versicherten in Form von Beiträgen einzahlen, unter anderem in Staatspapieren an. Sinkt deren Rating, kann auch der Kurs und damit die Rendite beeinträchtigt werden. Damit können die Überschüsse abnehmen, die die Versicherungsunternehmen an ihre Kunden ausschütten.


Auswirkungen für die Steuerzahler und den Staat

Schlechtere Bonitätsnoten tragen oft dazu bei, dass Staaten höhere Zinsen an Investoren zahlen müssen, wenn sie sich durch den Verkauf von Staatsanleihen verschulden. Für 2012 rechnet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bislang mit Zinsausgaben in Höhe von 38 Milliarden Euro. Es kann aber sein, dass diese Summe nicht ausreicht, sondern steigt. Durch schlechtere Ratings kann also der Druck auf die Staatsfinanzen zunehmen. Mögliche Folgen: Die Regierungen erhöhen die Steuern, die die Bürger und Unternehmen zahlen, oder sie schränken staatliche Ausgaben etwa für Investitionen und Soziales ein. Auch Bundesländer, sowie die Städte und Gemeinden können von den Folgen schlechter Ratings betroffen sein – allerdings nicht so unmittelbar wie der Bund. Im täglichen Leben zu spüren bekommen das die Bürger dann möglicherweise, wenn ihre Gemeinde wegen Geldmangels das Spaßbad abends früher schließt oder die Eintrittspreise erhöht.


Ein Rating ist kein Schicksal

Die Ökonomen Ferdinand Fichtner und Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung argumentieren, dass sich Ratings und Zinsen entkoppeln. Ein Beleg: Obwohl die USA ihre Bestnote bei Standard & Poor´s bereits verloren haben, zahlt die US-Regierung gegenwärtig geringere Zinsen als zuvor – zwei Prozent für zehnjährige Staatsanleihen. Die Erklärung: Die Investoren machen sich von den Ratings zunehmend unabhängig. Sie halten die Lage in den USA aktuell für stabiler als in den solidesten europäischen Staaten. Dem widersprechen allerdings die ökonomischen Fakten. Die USA haben beispielsweise ein viel höheres Haushaltsdefizit als Deutschland, Holland, Österreich und Frankreich – alles Länder, die nun von der Herabstufung bedroht sind.


Politische Konsequenzen

Finanzminister Schäuble betrachtet die Drohung von Standard & Poor´s als Aufforderung, das Schuldenproblem in Europa in den Griff zu bekommen. Zusammen mit Frankreich strebt die Bundesregierung deshalb an, die europäischen Verträge zu verschärfen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte, es sei nun wichtig, eine Schuldenbremse im Gesetz zu verankern. Mit Blick auf die relativ solide Finanzpolitik seines Landes kritisierte Faymann aber die angedrohte Herabstufung aber als „ungerechtfertigt“. CDU-Fraktionsvize Michael Meister plädierte dafür, das Oligopol der drei beherrschenden Rating-Agenturen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitchs zu brechen. Seit Jahren läuft eine Debatte über die Gründung einer eigenständigen europäischen Rating-Agentur. Unter anderem die Unternehmensberatung Roland Berger arbeitet daran, dieses Ziel umzusetzen.

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